Der Teufel lebt im Paradies
Ein Blick ins Buch
Ihr Name ist Diana. Sie steht auf der Plattform des Münsters, nicht ahnend, dass diese Nacht für immer ihr Leben verändern wird.
Diana ist Professorin an der Universität Konstanz. Expertin für Pharmakologie und Toxikologie. Sechs Sprachen spricht sie fließend, spielt Harfe und liebt die Musik von Pink Floyd. Sie ist groß und schlank, hat braunes Haar, und wenn sie lacht, entstehen Grübchen auf ihren Wangen.
Der Wind neckt und zupft an ihr. Komm, lass uns spielen, säuselt er lockend. Diana lächelt. Sie hebt ihr Gesicht zu den Himmelslichtern, Millionen funkelnde Diamanten auf schwarzem Samt, behütet von der mystischen Kraft des Vollmondes. Der Wächter der Nacht, dessen Licht die Menschen sicher nach Hause bringt, die Gezeiten steuert und Werwölfe heulen lässt. Die Magie dieses Moments hat fast schon etwas Erhabenes. Überwältigt presst Diana eine Hand an die Brust und lauscht der Stille, die vollkommen ist.
Da ist noch jemand. Jemand, dessen Aufmerksamkeit allein Diana gilt und dessen kalte Augen sie anstarren. Der im Vorborgenen lauert und darauf wartet, ob sich die Dinge so entwickeln wie geplant.
Er bleibt unbemerkt, denn Diana ist zu beschäftigt mit sich selbst. Sie breitet die Arme aus und tänzelt zu den Klängen einer süßen Melodie, die nur sie hören kann. Sie wirbelt herum. Dreht eine Pirouette. Beugt sich übermütig über die Brüstung. Sieht hinunter auf die Altstadt von Konstanz, wo der Schnee wie Zuckerguss auf den Dächern liegt und warmer Schimmer aus den Fenstern dringt, anheimelnde Lichtoasen in einem Wintermärchen, zwei Wochen vor Heilig Abend.
Mit einem Mal drängt es sie, in das Herz dieser wunderbaren Stadt einzutauchen. Auf die Brüstung klettern, hinunterfliegen, sich im letzten Moment emporschwingen und wie ein gleißender Wirbel aus Sternenstaub durch die Gassen schweben, um dann ein Bad zu nehmen, im Schein des Mondes, dessen Licht den Bodensee flutet.
Und jemand glotzt und wartet darauf, dass Dianas LSD-Trip die nächste Phase erreicht, wenn die Euphorie schwindet und sich das Tor zur Hölle öffnet. Man beschließt, ein wenig nachzuhelfen.
Kichert da jemand? Dianas Visionen beginnen zu flackern.
Dann ein anderes Geräusch, kratzend, schabend.
Die Bilder verblassen. Mit reiner Willenskraft sucht Diana den Weg zurück zu jenem rauschhaften Glücksgefühl, doch es will ihr nicht gelingen.
Links von ihr, ein leises Jammern.
Sie schaut sich um, und ihr ist, als wäre der Kopf wie in Watte gepackt. Niemand zu sehen. Plötzlich ist sie entsetzlich müde. Sie möchte nach Hause, wendet sich zur gläsernen Konstruktion, die den Treppenabgang überdacht, und sieht einen dunklen Schatten. Unwillkürlich weicht sie einen Schritt zurück. Ein Schatten ist nur ein Schatten, beruhigt sie sich. Sie blinzelt, ihr Blick wird klarer, und die Vision verflüchtigt sich.
»Klopf, klopf«, flüstert da eine Stimme.
Diana glaubt, ihren Namen zu hören. Schwach nur, drängend.
»Ich habe eine Botschaft für dich«, säuselt die Stimme.
Diana muss genau hinhören, um die nächsten Worte zu verstehen. »Gott möchte dich fliegen sehen, Diana. Sei ein Engel und flieg.«
»Hallo?«, ruft sie, und ihre Stimme versickert in der Dunkelheit.
Mit einem Mal ist ihr sehr kalt. Arme, Beine, der ganze Körper zittert. Sie zieht ihren langen Daunenmantel enger um sich. Sie tut einen Schritt. Schwankt. Ist unsicher auf den Beinen. Es fühlt sich an, als wäre sie vollkommen zugedröhnt.
Ein schweres Atmen, dann ein Schaben, als würde jemand auf Holz kratzen. Füße scharren, ein leises Stöhnen. Ein Luftzug. Etwas huscht vorbei, und es ist, als hielte der Teufel Einzug in ihr Paradies. Ihr Magen krampft. Sie schaudert, drückt sich an die Brüstung. Kann kaum atmen. Sie möchte weglaufen, doch der Weg nach unten führt über die Treppe, und sie fürchtet sich vor dem Schatten.
Es kribbelt in ihrem Nacken. Sie fährt herum. Und dann sieht sie etwas vor sich.
NEUERSCHEINUNG
Die Autorin über das Buch
Die Leiche einer Taucherin schwimmt im Bodensee. Eine Putzfrau sprengt sich beim Tanken mit einer Zigarette in die Luft. Im beschaulichen Konstanz häufen sich merkwürdige Sterbefälle. Kein Tod gleicht dem anderen, doch es gibt eine Gemeinsamkeit, die Verbindung zur renommierten Universität. Das Morden geht weiter und ein schrecklicher Verdacht erhärtet sich: Ein psychopathischer Serienkiller ist in der Stadt unterwegs.